
schräg stehendes Sternum und unterschiedlich ausgeprägte Pectoralis-Muskulatur
Quelle: privat
Wenn Schiefe und Trageschwäche sich gegenseitig verstärken
erstellt am 7. Februar 2025
Wenn Schiefe und Trageschwäche sich gegenseitig verstärken
Jedes Wirbeltier ist von Natur aus schief. Was bedeutet, dass
linke und rechte Körperhälfte weder symmetrisch noch gleich stark
oder geschickt sind. Wie bei uns Menschen ist die Schiefe bedingt
durch die so genannte Händigkeit.
In freier Wildbahn spielt Schiefe keine große Rolle. Das Pferd kann
sich uneingeschränkt bewegen und gleicht seine natürliche
Asymmetrie instinktiv aus ohne einzelne Strukturen zu überlasten.
In dem Moment jedoch, in dem ein Mensch in den Sattel steigt,
verändert sich die Situation grundlegend. Nun muss das Pferd das
zusätzliche Gewicht ausbalancieren, den Reiter tragen und
gleichzeitig auf seine Hilfen reagieren. Die natürliche Schiefe
bleibt bestehen, wird durch falsches Training oder unbewusste
Einwirkungen des Reiters oft sogar noch verstärkt und kann sich
schließlich so weit manifestieren, dass das Pferd körperliche
Beschwerden entwickelt.
Je stärker sich diese Dysbalance ausprägt, desto größer wird die
Gefahr, dass sich das Pferd nicht mehr korrekt selbst und gar eine
Last auf dem Rücken tragen kann. Sein Rücken beginnt durchzusacken,
die rumpftragende Muskulatur wird asymmetrisch überlastet, sein
gesamtes Fasziensystem gerät unter eine ungesunde Spannung –
vergleichbar mit einem verwrungenen, zu kleinen Taucheranzug. So
leidet die Bewegungsmechanik. Es wird immer unrittiger und immer
schiefer. Oft reagieret der Reiter aus Hilflosigkeit dieser
Situation gegenüber mit verstärkten „Hilfen“ oder sogar Gewalt- und
Zwangsmaßnahmen.
In vielen Fällen führt all dies in eine ausgeprägte Trageschwäche.
Die Schiefe und die mangelnde Tragkraft verstärken sich dann
gegenseitig, sodass das Pferd in einem Teufelskreis gefangen
ist.
Ein Problem der Neuzeit?
Offenbar ja, denn anders als früher werden junge Pferde heute nicht mehr vorwiegend im Gelände geradeaus, sondern in der Reitbahn und damit ständig auf gebogenen Linien angeritten und weiter ausgebildet. Außerdem wird kaum noch ein Reitpferd auch gefahren, wie es früher üblich war. Das Ziehen einer Last ist jedoch eine besonders effektive Methode zum Geraderichten, weil Ziehen nur funktioniert, wenn gleichmäßig geradeaus gezogen wird. Dabei werden automatisch beide Körperhälften gleichmäßig trainiert.
Was aber noch viel entscheidender ist: War es früher gang und gäbe, dass Stuten mit Fohlen auf Flächen mit hohem Grasaufwuchs gehalten wurden, wird heute meist zuerst gemäht und Heu gemacht, bevor Pferde zum Weiden auf die Wiese kommen. Oder aber es ist so wenig Fläche zur Verfügung, dass das Gras schnell kurz gefressen ist.
Damit werden Fohlen und Jungpferde zu einer ungesunden Körperhaltung beim Grasen gezwungen – und kaum jemand denkt darüber nach.
Weil die Beine lang, der Hals aber noch kurz ist, muss das Fohlen einen weiten Ausfallschritt machen, um ans Gras zu kommen. Aufgrund der Händigkeit stellt es fast immer dasselbe Bein nach vorne – macht also eher zwei Schritte anstatt sich Schritt für Schritt dabei fressend voran zu bewegen, um die vermehrte Last immer auf das stärkere Bein zu bringen.
Die Auswirkungen: Wie Schiefe das ganze Pferd beeinflusst
Schon nach kurzer Zeit verstärkt sich die Schiefe. Oft rotiert sogar der komplette Brustkorb in Richtung des meist vorgestellten Vorderbeines. Zu erkennen daran, dass dessen Huf deutlich breiter und flacher wird als der andere. Letzterer sich vielleicht sogar zum Bockhuf entwickelt.
Außerdem stehen die hinteren Rippen auf der dem vermehrt lasttragenden Vorderbein gegenüberliegenden Seite stärker heraus, weil der Brustkorb jetzt schräg „zwischen den Schultern steckt“.
Weil die rumpftragende Muskulatur auf der mehr lasttragenden Seite überlastet, stabilisiert der Körper dies über Verspannungen, verstärkte und verklebte Faszien sowie vermehrtes Untertreten des diagonalen Hinterbeines.
Der Teufelskreis aus starker Schiefe, einseitig abgesunkenem Brustkorb hat seinen Anfang genommen. Der Brustkorb hängt nun sozusagen auf Dauer vermehrt auf einem Vorderbein. Diese Schiefe setzt sich dann über die gesamte Körperachse fort: Faszien und Muskeln im ganzen Körper produzieren eine diagonal gerichtete Gegenspannung, was zu Blockaden in der Wirbelsäule, Beckenschiefstand und sogar organischen Störungen führt. Dazu gehören häufig Magenprobleme, Husten, Herzschwäche oder Koliken.
Besonders fatal: Pferde mit einer solchen Rotation im Brustkorb k
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Autor:innen
Dipl. Ing. agr. Karin KattwinkelEin interessanter Beitrag. Teile ihn jetzt mit deinem Netzwerk.