Fallbeispiel
Ein Beitrag von  Dr. med.vet. Sabine Lasar
Kleintierzentrum Am Schmelzbach 
,  Kleintierzentrum am Schmelzbach auf VetStage

Hochgradige Thrombozytopenie bei einer Katze mit akuter Paraparese der Hintergliedmaßen- ein Fallbericht

erstellt am 11. Juli 2022

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Es wird der Fall eines 15 Wochen alten Europäisch Kurzhaar Katers beschrieben, der aufgrund einer akuten Paraparese beider Hintergliedmaßen vorgestellt wurde. Die Blutuntersuchung ergab eine hochgradige Thrombozytopenie. Die Behandlung erfolgte mittels Prednisolon in immunsuppressiver Dosis, einer Bluttransfusion sowie Physiotherapie. Unter der Therapie erholte sich der Patient rasch. In der Fallbeschreibung wird auf mögliche Differentialdiagnosen und deren Abklärung eingegangen. Zudem wird der klinische Verlauf mit zwei Rezidiven und deren Behandlung über die folgenden 24 Monate beschrieben.

Anamnese

Ein 15 Wochen alter Europäisch Kurzhaar Kater wurde im Kleintierzentrum am Schmelzbachaufgrund akuter Paraparese der Hintergliedmaßen vorgestellt. Fress- und Trinkverhalten waren normal, ebenso Kot- und Harnabsatz. Ursprünglich kam das Tier von einem Bauernhof und befand sich seit vier Wochen in Besitz der Klientin. Seitdem wurde der Kater ausschließlich in der Wohnung gehalten. Im Haushalt befand sich eine weitere Katze, welche klinisch unauffällig war. Eine Woche vor Vorstellung spielten beide Katzen mit einer Maus, welche der Nachbarskater vom Freigang mit in die Wohnung gebracht hat. Eine Impfung war bisher noch nicht erfolgt, entwurmt wurde der Kater eine Woche vor Vorstellung.

Klinische Untersuchung

Der Kater präsentierte sich ruhig und aufmerksam, war aber nicht steh- und gehfähig. Ernährungs- und Pflegezustand des 1,8 kg schweren Patienten waren gut. Die Schleimhäute waren blass(rosa) und feucht, die kapilläre Füllungszeit prompt. An beiden Pinnae wurden flächige Blutungen in der Haut festgestellt, die der Besitzerin bis dato noch nicht aufgefal- len waren. Der mittelkräftige, regelmäßige und gleichmäßige Puls hatte eine Fre- quenz von 160/min. Bei der Auskultation des Herzens fiel ein Herzgeräusch 4/6 auf. Die Atmung war unauffällig, ebenso der Palpationsbefund des Abdomens. Die Körpertemperatur lag bei 38,0 °C. Die tastbaren Lymphknoten waren ohne be- sonderen Befund. Bis auf eine verzögerte Propriozeption beider Hintergliedmaßen

war die neurologische Untersuchung der Haltungs- und Stellreaktionen normal.

Laboruntersuchungen

Zunächst wurden ein Blutbild (Tab. 1) sowie eine klinisch-chemische Blutuntersuchung (Tab. 2) durchgeführt.
Die klinisch-chemische Blutuntersuchung war bis auf ein geringgradig (ggr.) erniedrigtes Kreatinin unauffäl- lig. Im Blutbild wurde eine hochgradige Thrombozytopenie festgestellt sowie eine mittelgradige regenerative Anämie. Die neutrophilen Granulozyten waren ggr. erniedrigt. Es erfolgte eine manuelle Thrombozytenzählung mittels Thrombo- plus Methode in der Neubauer Zählkammer, wobei eine Thrombozytenzahl von 2,5 K/μl ermittelt wurde. Bis auf die stark reduzierten.

Thrombozyten war der Blutausstrich unauffällig. Es waren weder Thrombozytenaggregate noch Hinweise auf Blutparasi- ten vorhanden. Die Morphologie der einzelnen Blutzellen war ohne besonderen Befund. Im weiteren Verlauf wurde ein FELV/FIV-Test  durchgeführt, welcher für beide Erkrankungen negativ ausfiel. Die Gerinnungsparameter wurden (Tab. 3) bestimmt.

Weiterführende Untersuchungen

Die röntgenologische Untersuchung von Thorax und Abdomen jeweils in zwei Ebenen war ohne besonderen Befund. Wirbel- säule und Becken waren unauffällig. Aufgrund der Gefahr des Auslösens von lebensbedrohlichen Blutungen durch auch nur geringe Manipulationen am Patienten wurde auf eine Ultraschalluntersuchung verzichtet. Die Bestimmung der Blutgruppe ergab die bei Europäisch Kurzhaar Katzen eher selten anzutreffen- de Blutgruppe B. Der Test auf Autoagglutination verlief negativ.

Verdachtsdiagnose

Es wurde die Verdachtsdiagnose immun- bedingte Thrombozytopenie mit zusätzli- cher Anämie sowie Paraparese der Hintergliedmaßen aufgrund einer Einblutung ins Rückenmark gestellt.

Therapie

Initial wurde der Kater stationär aufgenommen und erhielt Doxycyclin 5 mg/ kg per os, um eine eventuell bisher nicht diagnostizierte infektiöse Ursache abzudecken sowie Prednisolon 2 mg/kg 2 x tgl. per os.

Da auch eine Rodentizidintoxikation nicht zu 100 % ausgeschlossen werden konnte, wurde ebenfalls Vitamin K in einer Initialdosis von 5 mg/kg/Tag s.c. verabreicht und in der Dosis von 2 mg/kg/Tag per os  über weitere vier Wochen fortgesetzt. Da der Hämatokritwert am Folgetag auf 15,9 % bei weiterhin 0 K/μl Thrombozyten sank, erhielt der Patient eine Vollbluttransfusion (Abb. 1). Bei dem Spendertier handelte es sich dabei um eine adulte Britisch Kurzhaarkatze mit Blutgruppe B. Auch die durchgeführten Major- sowie Minortests bestätigten die Kompatibilität von Spender- und Empfängerblut.

Danach stabilisierte sich der Patient rasch, so dass mit der Durchführung von physiotherapeutischen Maßnahmen begonnen werden konnte. Dafür erhielt der Kater einmal täglich eine Behandlung mittels Interferenzstromtherapie sowie Therapielaser. Nach Besserung der Paraparese erfolgte ein weiterer Muskelaufbau mit Hilfe des Trainings auf dem Unterwasserlaufband (Abb. 2).

Eine Woche nach Vorstellung konnte der Kater bei gutem Allgemeinbefinden, steh- und gehfähig und mit annähernd normalem Blutbild entlassen werden (Tab. 1).

Weiterer Verlauf

Vier Wochen nach Therapiebeginn wurde die Behandlung mit Vitamin K abgesetzt. Der drei Tage nach der letzten Medikamentengabe überprüfte aPTT-Wert lag im Normalbereich. Drei Wochen nach Vorstellung wurde das Doxycyclin abgesetzt. Da das Herzgeräusch, welches am Vorstellungstag aufgefallen war, bei den Kontrolluntersuchungen nicht mehr feststellbar und der feline proBNP-Wert normal war, wurde auf eine weiterführende Herzdiagnostik verzichtet. Das Prednisolon wurde am Entlassungstag auf 1 mg/ kg/Tag p.os. reduziert und im weiteren Verlauf unter regelmäßigen Blutbildkontrollen langsam ausgeschlichen und schließlich fünf Wochen nach Vorstellung komplett abgesetzt. Eine Woche später entwickelte der Kater eine erneute Thrombozytopenie mit einer Thrombozytenzahl von 95 K/μl (Referenzwert: 151 – 600) bei normalem Hämatokritwert (Tab. 1) sowie normaler aPTT-Zeit (99 sec (Referenzwert: 65 – 119sec)). Der Patient erhielt erneut Prednisolon in einer Dosierung von 2 mg/kg/2 x tgl. per os am ersten Behandlungstag. Ab dem folgenden Tag wurde die Prednisolontherapie mit 1 mg/ kg/2 x tgl. per os fortgeführt. Die Kontrolle des Blutbildes fünf Tage später ergab eine normale Thrombozytenzahl von 289 K/μl. Nach langsamem Ausschleichen des Prednisolons bekam der Kater circa sechs Monate nach Erstvorstellung noch

0,15 mg/kg täglich. Darunter entwickelte er eine erneute akute Thrombozytopenie sowie eine hochgradige Anämie (Tab. 1) mit deutlicher klinischer Symptomatik (Apathie, deutlich abdominale Atmung). Unter erneuter Erhöhung der Prednisolondosis auf 2 mg/kg/2 x tgl.per os sowie zusätzlicher Gabe von Ciclosporin 5 mg/ kg/Tag per os (Sporimmune®50 mg/ml) erholte sich der Patient rasch. Es erfolgten regelmäßige Blutbildkontrollen alle 6 – 8 Wochen, wobei eine Reduktion der Prednisolondosis nur bei dreimalig normalen Thrombozytenwerten erfolgte. Derzeit (ca. 24 Monate nach Erstvorstellung) ist das Allgemeinbefinden des Katers gut und das Blutbild stabil mit normalen Thrombozytenzahlen im unteren Referenzbereich. Der Patient bekommt derzeit (03/19) Ciclosporin 5 mg/kg/Tag sowie Prednisolon 0,8 mg/kg/Tag per os.

Diskussion

Differenzialdiagnostisch kommen für die Thrombozytopenie bzw. hämorrhagische Diathese verschiedene Ursachen in Frage. Eine erniedrigte Thrombozytenzahl kann mit einer zu geringen Bildung, einer Sequestrierung, einem erhöhten Verlust, oder einer vermehrten Zerstörung einhergehen. Bildungsstörungen ko

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Dr. med.vet. Sabine Lasar
Kleintierzentrum Am Schmelzbach

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