Fallbericht: Schwäche, dunkler Urin und die Suche nach dem letzten Puzzlestück
erstellt am 26. Oktober 2022
Anamnese
Eine Dackelmixhündin (11 Jahre, kastriert) wurde uns aufgrund allgemeiner Mattigkeit vorgestellt. Der Besitzer vermutete aufgrund einer bekannten Rückenproblematik, dass Rückenschmerzen die Ursache für die zunehmende Bewegungsunlust der sonst so quirligen Hündin seien. Die Futter- und Wasseraufnahme war unauffällig. Den Kotabsatz beschrieb der Besitzer als normal hinsichtlich Farbe und Konsistenz. Die Hündin stammt aus einem deutschen Tierheim und war bis auf eine Reise nach Polen und in die Niederlande nie außerhalb Deutschlands. Sie wurde regelmäßig geimpft, eine Parasitenprophylaxe erfolgte jedoch inkonsequent.
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung der Hündin war ohne besonderen Befund. Eine Blutentnahme wurde aufgrund der Vorstellung am Wochenende zunächst auf den kommenden Werktag verlegt.
Kurze Zeit später beobachtete der Besitzer eine Dunkelfärbung des Urins. Trotz der initialen Behandlung entwickelte sich eine zunehmende Schwäche und Apathie, sodass die Hündin am folgenden Tag erneut vorgestellt wurde. Es folgte die Untersuchung einer Harnprobe. Aufgrund der Verfärbung des Urins und des Verdachts auf Cystitis wurde mit einer antibiotischen (Amoxicillin/ Clavulansäure) und analgetischen (Carprofen-)Therapie begonnen.
Weiterführende Diagnostik
Urinuntersuchung
Mithilfe eines Urinsticks waren im Urin hochgradig Blut (++++), Bilirubin (+++) und Protein (+++) nachweisbar. Auch für Urobilirubin (+) und Nitrit (+) war der Test geringgradig positiv. Labordiagnostisch wurden eine Proteinurie (Urin-Protein/Kreatinin-Quotient: 1,8) und geringgradig Kristalle (+) im Sediment festgestellt. Eine leichte Erhöhung des Keimgehalts in der Probe ist bei Spontanharn normal und hat keine diagnostische Aussagekraft.
Erhöhte Bilirubinwerte im Urin können ein Indiz für eine Blockierung des Galleabflusses (z.B. durch Gallengangobstruktion, Tumor), Lebererkrankungen (z. B. schwere Leberzirrhose, Hepatitis) oder eine Hämolyse sein.
Sonografie
Durch die Sonografie des Abdomens konnte eine Störung des Galleabflusses ausgeschlossen werden. Es bestand auch kein Hinweis auf abdominal lokalisierte Tumore, die Blase war unauffällig.
Blutuntersuchung
Ein weiterer Schritt der diagnostischen Aufarbeitung bestand in der Durchführung einer vollständigen hämatologischen Untersuchung (initial geriatrisches Profil).
Labordiagnostisch zeigte sich eine deutliche regenerative Anämie und eine hochgradige Leukozytose mit Linksverschiebung. Im Differenzialblutbild waren eine geringgradige Anisozytose und Polychromasie nachweisbar. Das Blutserum war hämolytisch. Zusätzlich wiesen die neutrophilen Granulozyten toxische Veränderungen auf (Basophiles Zytoplasma +, Hypochromasie ++, Targetzellen +, Makrozyten +, Heinz Körperchen +).
Die Blutabnahme erfolgte bei der Hündin nicht nüchtern. Der leicht erhöhte Harnstoffwert (33 mg/dl, Referenz: 9-29 mg/dl) könnte damit in Verbindung stehen, insbesondere weil weitere Nierenparameter (Kreatinin, SDMA) im mittleren Referenzbereich lagen. Auch der niedrige T4-Wert (0,8 μg/dl, Referenz: 1,0 - 4,0μg/dl) wurde als Nebenbefund angesehen, da er vermutlich sekundär durch das reduzierte Allgemeinbefinden entstanden ist.
Eine schwerwiegende Erkrankung der Leber, die für die Ausscheidung des Bilirubins mit dem Urin verantwortlich ist, konnte durch die nur minimal veränderten Leberwerte ausgeschlossen werden. Die regenerative Anämie in Verbindung mit einer Hämoglobinämie, Hyperbilirubinämie, Hämoglobinurie und Bilirubinurie sprach für eine intravasale Hämolyse.
Für die minimale Erhöhung der Kreatinkinase (380 U/l, Referenz: 41 - 378 U/l) kann alleine schon durch die Blutentnahme entstanden sein. Differentialdiagnostisch kann auch vermehrtes Liegen, eine erhöhte Zellpermeabilität, eine anämische Hypoxie sowie Muskelschäden eine mögliche Ursache sein.
Verdachtsdiagnosen
Damit stand die Verdachtsdiagnose fest, dass die ausgeprägte Bilirubinurie prähepatisch infolge einer Hämolyse entstanden war. Eine Hämolyse kann infektiös (Bakterien, Parasiten), toxisch (z. B. Z
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Autor:innen
Katrin Noffke, Tierärztin bei felmoEin interessanter Beitrag. Teile ihn jetzt mit deinem Netzwerk.