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Mutter Und Praktische Tierärztin – Wie Kann Das Funktionieren?

Mutter und praktische Tierärztin – wie kann das funktionieren?

Die Kinderbetreuung ist für berufstätige Eltern eine große Herausforderung und erfordert zumindest von einem Elternteil (i.d.R. der Mutter) ein hohes Maß an Organisation, Belastbarkeit und Flexibilität. Damit für praktische Tierärztinnen und –ärzte die Karriere nicht am Kinderwunsch scheitert (und natürlich umgekehrt), müssen Wege gefunden werden, dass sie trotz kleiner Kinder weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen können.

 

LÖSUNGSANSÄTZE FÜR EINE BESSERE VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND TIERÄRTZLICHEM BERUF

  1. Erweiterung (flexibler) Kinderbetreuungsplätze

Da in der Regel die Väter diejenigen sind, die nach der Elternzeit in Vollzeit arbeiten (dies trifft übrigens auch für praktische Tierärzte zu), können Tierärztinnen selten bei der Kinderbetreuung auf ihren Partner zurückgreifen. Wenn nun auch keine Großeltern oder andere Verwandte in der Nähe wohnen und sich um die Kinder kümmern können, müssen sich die Mütter während der Arbeitszeit auf ein belastbares Netzwerk durch Tagesmütter oder staatliche Einrichtungen verlassen können. Das Problem liegt hierbei jedoch nicht nur am Mangel an Betreuungsplätzen, sondern v.a. daran, dass die staatlichen Einrichtungen i.d.R. keine flexiblen Betreuungszeiten anbieten. Kaum eine Tierärztin hat jedoch die Möglichkeit, nur vormittags bzw. zu den regulären Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsstellen zu arbeiten. Dies ist auch nicht der Fall, wenn sie sich – wie viele approbierte Tierärztinnen – für die Arbeit in einer Kleintierpraxis mit geregelten Arbeitszeiten entscheidet. Denn Tierarztpraxen/-kliniken müssen sich mit ihren Öffnungszeiten bzw. der Vergabe Ihrer Termine an ihre Klienten anpassen und auch nach deren Feierabend und in unvorhersehbaren Notfällen für die kranken Vierbeiner da sein.

Schritt eins für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wäre also die Schaffung flexibler Betreuungszeiten für die Kinder durch staatliche Einrichtungen.

 

  1. Anerkennung des „angestellten Tierarztes“ als gleichwertiges Karrieremodell

Tierärztinnen, die Mutter geworden sind, können wegen der geringeren zeitlichen Flexibilität oft nur im Angestelltenverhältnis und nicht (mehr) als Selbständige tätig sein. Dieses Karrieremodell des „angestellten Tierarztes“, also eine dauerhafte und nicht nur vorübergehende Tätigkeit als Assistenztierärztin/-arzt, wird bedingt durch den hohen Frauenanteil in Zukunft immer mehr zunehmen. Dies erfordert ein Umdenken in der Tierärzteschaft, dass auf die Assistententätigkeit nicht automatisch die eigene Praxis folgen muss. Stattdessen wäre es wichtig, dass der „angestellte Tierarzt“ als vollwertige tierärztliche Berufsausübung und gleichwertig zum  „selbständigen Tierarzt“ anerkannt wird.

Damit dieses Modell jedoch funktioniert, müssen tierärztliche Arbeitgeber bessere Arbeitsbedingungen schaffen (flexible Arbeitszeiten, faires Gehalt), um die Zufriedenheit der angestellten Tierärztinnen und -ärzte und damit den wirtschaftlichen Erfolg der Praxis durch eine langfristige Anstellung zu sichern und zu steigern.

 

  1. Schaffung neuer Teilzeit-Beschäftigungsmodelle

Teilzeitstellen sind in der Tiermedizin immer noch eher die Seltenheit. Auch hier muss ein Umdenken stattfinden, dass man nicht nur als Praktiker/-in tätig sein kann, wenn man bereit ist, rund um die Uhr zu arbeiten. Es müssen neue Teilzeitstellen geschaffen werden, die auch tatsächlich halbe Stellen sind und der Arbeitnehmer nicht regelmäßig Überstunden leisten muss. Außerdem sollten Teilzeitstellen besser bezahlt werden. Denn wer geht nach Abschluss des aufwendigen Tiermedizinstudiums schon gerne arbeiten, wenn er mit dem Verdienst kaum die Betreuung seiner Kinder bezahlen kann.

Aus Mangel an Teilzeitstellen, sollten Tierärztinnen/-ärzte auf jeden Fall vermeiden, sich unüberlegt selbständig zu machen, um überhaupt in ihrem erlernten Beruf arbeiten zu können. Wenn nämlich die nötige medizinische Erfahrung fehlt und aus finanziellen Gründen die Praxis schlecht ausgestattet ist, ist dieses Vorhaben oft zum Scheitern verurteilt und bringt nicht den gewünschten (finanziellen) Erfolg.

 

  1. Familienfreundlichere Arbeitsbedingungen

Die Arbeitszeiten in tierärztlichen Praxen und Kliniken erwarten oft eine zu große Flexibilität, die von staatlichen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht gegeben wird (und auch nicht erwartet werden kann). Mütter (und Väter) können also nicht uneingeschränkt für den Arbeitgeber bzw. die Patientenbesitzer zur Verfügung stehen, sondern brauchen geregelte Arbeitszeiten und das Verständnis der Kollegen für ihre eingeschränkte Flexibilität.

Müttern (und Vätern) sollte außerdem die Möglichkeit gegeben werden, ihre Arbeitszeiten variabler zu gestalten, so dass sie z.B. im Krankheitsfall flexibler ihr Kind betreuuen können. Unabdingbar ist auch hier die Unterstützung durch Kollegen, die z.B. durch eine Kooperation unter Tierärzten erreicht werden kann.

 

  1. Zusammenarbeit mit anderen Tierärzten/tierärztlichen Praxen

Um (selbständigen) Tierärztinnen und -ärzten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, besteht die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit anderen Tiermedizinern bzw. einer anderen Praxis. Dies kann der Zusammenschluss mehrerer eigenständiger Tierärzte in einer Praxisgemeinschaft, die Zusammenarbeit mit Spezialisten in einer Überweisungspraxis oder der Zusammenschluss von Kapitalgebern und praktischen Tierärzten (Franchisepraxis) sein.

Der Vorteil dieser Kooperationen besteht zum einen darin, dass die Arbeit geteilt und damit die berufliche Belastung reduziert wird. Es bleibt also mehr (Frei-)Zeit für die Familie und Kinder. Zum anderen kann man sich im Falle von Abwesenheitszeiten durch Urlaub, Fortbildung oder Krankheit, in einer Praxisgemeinschaft (ebenso wie in einer Gemeinschaftspraxis) rechtzeitig gegenseitig vertreten. Dies ist gerade für Tierärztinnen und –ärzte mit Kindern von großem Nutzen.

 

WIE KÖNNEN DIESE ZIELE ERREICHT WERDEN?

Der bpt als Berufsverband der Tierärzte hat schon vor einigen Jahren erkannt, dass aufgrund der enormen Veränderungen im tierärztlichen Berufsstand dringend etwas unternommen werden muss und hat sich die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ zu einem wichtigen Zukunftsthema mit hoher Priorität gemacht. Auf dem 24. Dt. Tierärztetag wurde 2006 ein „11-Punkte-Papier“ erarbeitet, um Tierärztinnen und -ärzten mit Kleinkindern die Berufsfähigkeit zu erleichtern. Es umfasst u.a. folgende Lösungsansätze für die tierärztliche Praxis:

  • Forderung nach einer flexibleren Entscheidung der Gewerbeaufsichtsämter über Beschäftigungsverbote für schwangere Angestellte
  • Entwurf von Konzepten für neue Praxisstrukturen und Teilzeit-Arbeitsmodelle
  • Förderung der Kooperation unter Tierärzten
  • Schaffung von Netzwerken, in denen Informationen zu Jobbörsen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten weitergegeben werden und Mütter die Möglichkeit erhalten, Erfahrungen bezüglich des Wiedereinstieges in den Beruf auszutauschen
  • Wunsch nach einer verbesserten Betreuungssituation für Kleinkinder, die für praktische Tierärzte v.a. flexibler gestaltet werden müssen

Mit der Diskussion dieser wichtigen Thematik, hat der bpt den ersten und wichtigsten Schritt unternommen. Nun liegt es am tierärztlichen Berufsstand und an der Politik, die Ziele in die Tat umzusetzen. Und dies ist dringend nötig, um dem steigenden Frauenanteil in der Tierärzteschaft gerecht zu werden!

Es wäre wünschenswert, dass sich in Zukunft keine Tierärztin mehr zwischen Karriere und Kindern entscheiden muss.

PS: Auf der Seite des Deutschen Ärztinnenbundes fanden wir noch das folgende PDF, welches auch für tierärztliche Kliniken interessant sein könnte, die sich Gedanken zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf machen: checkliste das familienfreundliche krankenhaus

Auch in der Schweiz beschäftigt man sich inzwischen stark mit der Familienfreundlichkeit von tierärztlichen Unternehmen: http://www.fachstelle-und.ch/

Artikel von Tierärztin Tonia Olson
Die Autorin hat 2005 ihr Veterinärmedizin-Studium in München abgeschlossen. Bei ihrem anschließenden mehrjährigen Aufenthalt in Skandinavien war sie u.a. in einer städtischen Gemischtpraxis tätig. Nach der Elternzeit arbeitet sie nun in einer Kleintierpraxis in der Nähe von München. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder, eine Katze und einen Hund.

Dr. Lisa Leiner

Frau Dr. Lisa Leiner ist promovierte Tierärztin, Diplom Biologin mit dem Schwerpunkt Verhaltensphysiologie und Psychologie, Autorin, Referentin und Coach.
Bis 2019 lag ihr Hauptaugenmerk als Gründerin und Geschäftsführerin von VetStage in der Personalberatung und -akquise im Namen von Kollegen und Kolleginnen.
Zwischen 2019 und 2023 verstärkte sie das Team um Tierarzt Plus Partner im Bereich HR. Hier war sie nicht nur für die Akquise von Tierärztinnen, Tierärzten und TFA verantwortlich, sondern auch für den Aufbau verschiedener Projekte (Berufseinsteigerprogramm, Praktikantenprogramm und andere). Seit 2024 ist Dr. Leiner als selbstständige Beraterin und Trainerin in den Bereichen Personal, Kommunikation und Resilienz tätig.

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