Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften in tierärztlichen Praxen und Kliniken
Was es mit dem so sensiblen Thema „Arbeitszeit, Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften“ näheres auf sich hat, hatten wir vor einigen Jahren bereits einmal an dieser Stelle näher dargestellt (bpt-info April 2014). Auf die Arbeitszeit soll in diesem Beitrag nicht noch einmal näher eingegangen werden, wohl aber auf den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft, deren Definitionen und arbeitszeit- (und auch vergütungs-) rechtliche Einordnung für viele Kolleginnen und Kollegen noch nicht gänzlich erschlossen ist, wie einschlägige Anfragen an das bpt-Rechtsreferat belegen. Unberücksichtigt bleiben sollen an dieser Stelle indes die Definitionen und Einzelheiten der Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse, die in § 7 Abs. 2 + 3 des Manteltarifvertrages für Tierarzthelferinnen näher ausgeführt sind.
Die Regelungen in den Musterverträgen
In einschlägigen Musterverträgen (z. B. in § 3 Abs. 5 und Abs. 6 des bpt-Mustervertrages Angestellte Tierärzte) ist vorgesehen, Zeiten einer Rufbereitschaft und eines Bereitschaftsdienstes näher zu regeln. Einschlägige Definitionen sind sodann in einer ausführlichen Anmerkung (Anmerkung 8) zu finden. Auf diese Ausführungen soll nachfolgend näher eingegangen werden:
Wie ist der Bereitschaftsdienst zu definieren?
Bereitschaftsdienst liegt vor (s. z.B. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 45, Rz. 57), wenn der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um, sobald es notwendig ist, seine Arbeit aufzunehmen. Während des Bereitschaftsdienstes darf der Arbeitnehmer ruhen oder sich anderweitig beschäftigen, solange seine beruflichen Leistungen nicht erforderlich sind. Grundsätzlich ist Bereitschaftsdienst danach keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden.
Wie ist die Rufbereitschaft zu definieren?
Rufbereitschaft ist dadurch gekennzeichnet (so Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 45, Rz. 59), dass der Arbeitnehmer sich nicht an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle bereithalten, sondern nur jederzeit erreichbar sein muss, um seine beruflichen Aufgaben auf Abruf unverzüglich wahrnehmen zu können. Der Arbeitnehmer kann sich innerhalb eines zuvor vereinbarten Gebiets an einem Ort seiner Wahl aufhalten, der dem Arbeitgeber anzuzeigen ist oder von dem er aus über „Piepser“ oder „Handy“ oder anderweitig jederzeit erreichbar ist.
Rufbereitschaft oder doch Bereitschaftsdienst?
Der Übergang von der Rufbereitschaft zum Bereitschaftsdienst kann allerdings fließend sein. Die Rufbereitschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich um einen Hintergrunddienst handelt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitnehmer der Verpflichtung unterliegt, auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Das heißt der Arbeitnehmer muss zwar jederzeit erreichbar sein, es darf aber kein Aufenthaltsort oder eine bestimmte Reaktionszeit vorgeschrieben werden – ansonsten handelt es sich um Bereitschaftsdienst und damit um einen Fall der Vollarbeitszeit.
Mit der Abgrenzung der Rufbereitschaft vom Bereitschaftsdienst hatte sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 31.01.2002 (Az: 6 AZR 214/00) näher auseinandergesetzt. In seinen maßgebenden Urteilsgründen führte es aus:
„Die Rufbereitschaft unterscheidet sich vom Bereitschaftsdienst dadurch, dass sich der Mitarbeiter in der Zeit, für die sie angeordnet ist, nicht in der Einrichtung aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort selbst bestimmen kann….. Allerdings ist der Arbeitnehmer in der Bestimmung seines Aufenthaltsorts nicht völlig frei. Nach …… muss der Mitarbeiter die Arbeit kurzfristig nach Abruf aufnehmen. ….. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ….. darf zwischen dem Abruf und der Arbeitsaufnahme nur eine solche Zeitspanne liegen, dass hierdurch der Einsatz nicht gefährdet wird und im Bedarfsfall die Arbeitsaufnahme gewährleistet ist. …. Dies bedeutet, dass sich der Aufenthaltsort des Arbeitnehmers noch in einer Entfernung von der Arbeitsstelle befinden muss, die es ihm gestattet, diese in angemessen kurzer Zeit zu erreichen. Der Arbeitnehmer darf sich nicht in einer Entfernung vom Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwider läuft…. „kurzfristig“ bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch „nicht lange dauernd, von kurzer Frist, ohne lange Wartezeit, nur eine kurze Zeit dauernd, in möglichst kurzer Zeit, rasch entschlossen“ …… Das Tatbestandsmerkmal „kurzfristig“ soll daher sicherstellen, dass der Mitarbeiter sich während der Rufbereitschaft nur an solchen Orten aufhält, von denen er in kurzer Zeit nach Abruf die Arbeit aufnehmen kann. Dadurch soll eine Gefährdung des Einsatzes durch lange Wegezeiten vermieden werden. Dies kann zwar unter Umständen zur Folge haben, dass sich der Mitarbeiter bei Rufbereitschaft nicht zu Hause aufhalten kann, dann nämlich, wenn seine Wohnung soweit vom Arbeitsort entfernt liegt, dass die Arbeitsaufnahme in angemessen kurzer Zeit nicht möglich ist und der Einsatz deshalb gefährdet wäre. …. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsplatz von der Wohnung des Mitarbeiters, wie hier, in ca. 25 bis 30 Minuten erreichbar ist. Wegezeiten in dieser Größenordnung sind nicht unüblich und deshalb vom Arbeitgeber auch bei Rufbereitschaft, die herkömmlicherweise überwiegend zu Hause geleistet wird, generell hinzunehmen. Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst, der im Bedarfsfall die sofortige Arbeitsaufnahme ermöglichen und der deshalb in der Einrichtung zu leisten ist, ermöglicht die Rufbereitschaft dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Gestaltung seiner an sich arbeitsfreien Zeit. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben muss, sich um persönliche und familiäre Angelegenheiten zu kümmern, an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, sich mit Freunden zu treffen etc. Dies ist bei einer zeitlichen Vorgabe von 20 Minuten zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme nicht möglich. Bei einer solchen Zeitvorgabe ist der Arbeitnehmer faktisch gezwungen, sich in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes aufzuhalten, um die Arbeit bei Bedarf fristgerecht aufnehmen zu können. Dies ist mit dem Wesen der Rufbereitschaft nicht zu vereinbaren. ….“
Dies bedeutet:
Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass eine Rufbereitschaft durchaus nicht zwingend tatsächlich als Rufbereitschaft anzusehen ist. Insbesondere bei der Festlegung von „Reaktionszeiten“ (auf die mit Blick auf die damalige BAG-Entscheidung und die Tatsache, dass es in der Zwischenzeit keine aktuelleren Urteile gegeben hat, unbedingt verzichtet werden sollte) ist die Grenze in der Tat fließend, und es ist in der Regel von einem (voll auf die Arbeitszeit anzurechnenden) Bereitschaftsdienst auszugehen. Während dieser dadurch gekennzeichnet ist, dass erwartungsgemäß zwar Arbeit anfällt, die Zeit ohne Arbeitsleistung erfahrungsgemäß überwiegt, dürfte bei der Rufbereitschaft von dem Grundsatz auszugehen sein, dass diese nur dann anzuordnen ist, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeitsleistungen zu erbringen sind.
Die Vergütung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften
Regelungen zur Vergütung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften sind – um damit doch noch kurz auf tarifgebundene TFA-Arbeitsverhältnisse zu sprechen zu kommen – lediglich in § 7 Abs. 2 und Abs. 3 des Manteltarifvertrages für Tierarzthelferinnen für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse zu finden (d. h., der Arbeitgeber ist Mitglied im bpt und die TMFA Mitglied im Verband medizinischer Fachberufe e. V.): Zum Zwecke der Vergütungsberechnung eines Bereitschaftsdienstes wird dieser zu 50 % als Arbeitszeit bewertet (Beispiel: für 12 Stunden Bereitschaftsdienst kann die TMFA eine Vergütung für 6 Stunden unter Berücksichtigung des entsprechenden Vergütungssatzes für Überstunden verlangen). Obliegt der TMFA demgegenüber lediglich eine Rufbereitschaft, so wird die für die Arbeitsleistung, wenn eine solche anfallen sollte, erforderliche Zeit als Arbeitszeit vergütet.
Für nicht-tarifgebundene Arbeitsverhältnisse mit Tiermedizinischen Fachangestellten und mit tierärztlichen Assistentinnen und Assistenten gilt, dass Zeiten eines Bereitschaftsdienstes mit dem Mindestlohn im Sinne des Mindestlohngesetzes (8,84 €/Stunde) zu vergüten ist (so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29.06.2016 – AZ: 5 AZR 716/15). Dabei kann dem Mindestlohngesetz dadurch Rechnung getragen werden, wenn für die „normale“ Arbeit und die Bereitschaftsdienste, die jeweiligen Stundenzahlen zusammengerechnet, eine Stundenvergütung in Höhe von mindestens 8,84 € gezahlt wird.
Demgegenüber gibt es keinerlei Vorgaben aus Gesetz oder Verordnung oder einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütung von Rufbereitschaften. Es obliegt mithin den Beteiligten des Arbeitsvertrages, für Zeiten einer Rufbereitschaft eine zusätzliche (Pauschal-) Vergütung, einen Freizeitausgleich oder aber eine Kombination aus beiden zu vereinbaren.
Abschließende Feststellung:
Arbeitszeit, Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften sind, um es auch an dieser Stelle noch einmal hervorzuheben, äußerst sensible Themen – wir werden weiterhin „am Ball bleiben“ und umgehend berichten, sobald richtungsweisende Urteile oder sonstige Entscheidungen bekannt werden!
aus bpt-info Februar 2018
Autor:
Michael Panek
Rechtsreferat des Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V.
bpt.panek@tieraerzteverband.de
www.tieraerzteverband.de