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Ein Tarifvertrag Für Die Tiermedizin- Lösung Der Probleme Zwischen Arbeitgebern Und Arbeitnehmern?

Ein Tarifvertrag für die Tiermedizin- Lösung der Probleme zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern?

Wäre die Tiermedizin ein Schiff, würde es sich wohl gerade auf stürmischer See befinden. Hier und da werfen sich hohe Wellen auf. Eckpunkte der tierärztlichen Anstellung und Beschäftigung, wie Arbeitszeiten und eine gerechte Bezahlung der Tätigkeit werden heiß diskutiert. Die Tiermedizin ist mittlerweile „weiblich“ geworden und steht dadurch einigen Veränderungen gegenüber.

Es gibt einen akuten Mangel an Nachfolgern – an Tierärzten, die dazu bereit sind sich selbstständig zu machen. Gerade in dieser Zeit ist es einfacher denn je sich selbstständig zu machen, da der Generationenwechsel gute Konditionen bietet, sagt Andreas Herzog in einem Blogbeitrag auf Wir-sind Tierarzt.

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Doch woher kommen diese Probleme?

Unbefriedigende Arbeitsbedingungen

© Mario Beck

Eine nicht repräsentative Umfrage des BPT (Der praktische Tierarzt 100, Heft 11/2019) gibt ein deutliches Meinungsbild wieder. Not- und Bereitschaftsdienste sind der Umfrage zufolge oft völlig unentgeltlich abzuleisten.

Überstunden werden kaum erfasst und es gibt keinen Ausgleich. Tierärzte schreiben in der anonymen Umfrage: „Wenn ich putzen gehen würde, würde ich mehr verdienen“. Eine weitere Aussage lautet:

“ Schätzungsweise sind 70% meiner ehemaligen Studienkollegen nicht in der Praxis tätig, Gründe: schlechte Arbeitsbedingungen und noch schlechtere Bezahlung.“

Solche Aussagen sollten zu denken geben, da es nicht das Ziel sein kann, derartig unattraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen in einem Beruf, der so spannend und so derart wichtig ist.

Problematische Internships

Präsidiumsmitglied des BpT Dr. Maren Heilige (Der praktische Tierarzt 100, Heft 11/2019) kommentiert zum Thema Internships: “ Als Berufsverband hören wir immer wieder von sogenannten Internships, die zumeist nicht eine Anstellung im ersten Jahr nach der Approbation unter der Leitung von mehreren Diplomates bezeichnet, sondern als Argument für Arbeitsverhältnisse im Mindestlohnbereich darstellt und die für einen echte Internship erforderliche Qualifizierungen vermissen lässt.

Diese Internships werden gerne von größeren Kliniken angeboten. Vor kurzem gab es dazu eine große Diskussion auf Facebook bzgl. eines Stellenangebots mit einem Vollzeitgehalt von 2.100 € brutto, das die Gemüter zahlreicher Tierärzte erhitzt hat.

Es gab kaum Stimmen, die bereit waren, sich dort zu bewerben. Es gab Kommentare wie „Solche Stellenanzeigen sind unverschämt, aber wer sich darauf bewirbt, hat das schon fast verdient“ oder, „wenn sogar ich als Arbeitgeber die Augen aufreiße, muss das ein Schreibfehler sein“.

Die Bereitschaft junger Tierärzte für geringe Gehälter zu arbeiten sinkt, denn es können sich die wenigsten leisten, außer die Eltern unterstützen dies finanziell, aber das sollte nach einem langen Studium nicht der Fall und auch nicht Sinn der Sache sein.

Fehlende Wertschätzung

Nicht nur das Gehalt, sondern auch die Wertschätzung ist vielerorts niedrig. Ein übertrieben rauer Umgangston ist leider oft die Regel.

Dazu das Kommentar der Tierärztin L. Lindau: „Ich habe kein Problem damit länger zu arbeiten, wenn es nötig ist. Das gehört zum Beruf.  Wenn jedoch für meinen Einsatz nicht einmal ein kleines Danke zurück kommt, verliere ich die Motivation mich zu engagieren.

Ich habe meine Lehren daraus gezogen und mich vor kurzem selbstständig gemacht. Ich weiß wofür ich arbeite und bin mein eigener Chef.“

Stichwort Arbeitszeitgesetz

© Mario Beck

Ein weiteres großes Problem im Verhältnis vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer sind die langen Wochenarbeitszeiten, die bei vielen die Regel sind.

Die Bereitschaftsdienste sprengen die Zeitgrenzen. Eine Stimme aus der oben genannten Bpt Umfrage: „Ich werde für Bereitschaftsdienst in der Woche nicht entlohnt. Das Arbeitsschutzgesetz wird absichtlich und jeden Tag mit Füßen getreten.“

Der Beruf des Tierarztes ist kein 9 to 5 Job und das ist den meisten Tierärzten auch bewusst. Abmahnungen und das Zahlen hoher Strafen, bringen Kliniken dazu, sich strenger an das Arbeitsschutzgesetz zu halten. Das Problem dabei ist jedoch, dass es zunehmend schwerer wird einen 24-h Notdienst anzubieten und zahlreiche Kliniken dadurch ihren Klinikstatus abgeben müssen.

Das kann auch nicht das Ziel sein, besteht schließlich eine Pflicht die Versorgung unserer Patienten zu gewährleisten. Auf dem Land – im Nutztierbereich – fällt ein großer Anteil der Notdienste auf die Praxisinhaber, die natürlich keine zeitliche Begrenzung haben.

Was gibt es also für eine Lösung?

Vier- Tage- Woche

Auf dem Blog Wir-sind- Tierarzt spricht sich Jörg Held für eine Vier-Tages- Woche aus, so wie es auch in Großbritannien üblich ist. Als Option nennt er eine Flexibilisierung der 40h- Woche, also längere Arbeitszeiten am Stück, als die bisherigen acht Stunden.  Zur Arbeitszeitflexibilisierung gibt es auch aktuell einen Antrag im Bundesrat aus Bayern.

Als Vorteile nennt er die Erhaltung des Notdienstes und spricht von einer moralischen Pflicht, gegenüber der zu versorgenden Tiere. Undefiniert lange Arbeitszeiten gehen auf Lasten des Arbeitnehmers, weshalb der BaT sich gegen diesen Antrag ausspricht, genauso wie die SPD und Arbeitsminister Heil.

Was nun?

Beim Bpt Kongress in München haben sich Dr. Wunderlich (1. Vorsitzender des BaT) und Remien, vom Verbund unabhängiger Kleintierkliniken (VuK), für einen Tarifvertrag stark gemacht, der ja in der Humanmedizin schon lange üblich ist.

Hierin könnten Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Gehälter und Arbeitszeiten für ihre Mitglieder festlegen. Der BaT konnte auf seiner Mitgliederversammlung am 12.10.2019 einstimmig die Satzungsänderung zur Tariffähigkeit beschließen.

Moog (Rechtsanwältin, BpT), bekräftigt, dass eine Abweichung vom Arbeitszeitgesetz nur in kollektiver Vereinbarung möglich sei und begrüßt deshalb die aktuellen Bemühungen des BaT und des VuK – gleichwohl hierfür noch einige verfassungsrechtliche Voraussetzungen, wie die soziale Mächtigkeit erfüllt werden müssen.

Fazit der BpT- Studie

Als Fazit der zitierten BPT Studie wird genannt: es ist noch viel zu verbessern bezüglich der Einhaltung gesetzlicher Arbeitnehmerschutzbestimmungen in tierärztlichen Praxen und Kliniken. Die Überschneidung gesetzlich zulässiger Arbeitszeiten bei 36 % der Nennungen müsste schockierend genannt werden, wäre nicht aus den wissenschaftlichen Arbeiten von Johanna Kersebohm und Bettina Friedrich schon länger bekannt, wie es um die Arbeitskonditionen tierärztlicher Angestellter steht.

Einwand: die besprochenen Befunde gelten nicht als repräsentativ für die gesamte Branche, bestätigen aber in Teilen die finalen wissenschaftlichen Befunde.

Tarifvertrag als einheitliche Lösung?

© Mario Beck

Geregelte Arbeitszeiten und bezahlte Bereitschaftsdienste tragen entscheidend zur Zufriedenheit von Angestellten bei.

Wieso also kein Tarifvertrag? In Zeiten eines drohenden oder regional schon manifesten Tierärztemangels ist es wichtig, die Qualität der Arbeitsbedingungen als Priorität aufzufassen.

Dieser Tarifvertrag ist für den Arbeitnehmer nur interessant, wenn sich die Konditionen lohnen, büßt er ja doch einiges an Rechten ein. Doch könnte es eine gute Lösung sein, die Tiermedizin wieder auf einen klaren Kurs zu bringen.

Die Gehälter sind klar festgelegt, es wird sich an die Abmachungen von beiden Seiten gehalten, dann kann harmonisch zusammengearbeitet werden. Ohne, dass sich jemand ausgenutzt fühlen muss.

 

Veränderungen sind von beiden „Seiten“ nötig

Die Arbeitszeiten müssen flexibler sein, Teilzeit mehr geschätzt werden und die Bezahlung, der eines Akademikers gerecht werden müssen. Das muss wirtschaftlich auch erst ermöglicht werden, weshalb sich Praxen bei der Abrechnung auch nach der GOT richten sollten.

Ansonsten bleibt kein anständiges Gehalt für den Arbeitnehmer übrig, der daraufhin langfristig wieder enttäuscht abwandern wird. Eine hohe Fluktuation ist nicht rentabel für den Arbeitgeber, weil jedes Mal eine erneute Einarbeitungszeit und somit wirtschaftliche Einbußen notwendig sind.

Um langfristig zufrieden zu sein, müssen die drei Faktoren innere und äußere Bestätigung sowie die Bezahlung stimmen. Solange das nicht der Fall ist, wird die Unzufriedenheit bleiben. Dieser Zustand lässt sich nur ändern, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einem Strang ziehen und gemeinsam daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen der Branche zu verändern.

Es bringt nichts Verantwortung gegenseitig aufeinander abzuwälzen, frei nach dem Motto: „Dann mach du mal“. Es gibt bereits gute Ansätze, die darauf warten, durch Engagement beider Seiten in die Tat umgesetzt zu werden.

Wo siehst du Lösungen oben genannter Probleme? Vielleicht hast du in deiner Praxis ein Modell, das alle glücklich macht und, das du mit uns teilen möchtest? Ich freue mich über jedes Kommentar.

Suchst du gerade ein Praktikum, eine Dissertation oder willst du den passenden Einstiegsjob nicht verpassen? Dann hinterlege deine Wünsche an Gehalt, Region, Fachrichtung, etc. vertraulich bei uns im Karriereplaner – wir melden uns, wenn etwas passt. Mehr Informationen hier

Autorin: Daniela Diepold

Gast

Hierbei handelt es sich um einen Gastartikel. Informationen über den jeweiligen Autor / die jeweilige Autorin entnehmen Sie bitte dem Text.

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