Interview mit einem bayerischen Rinderpraktiker mit afrikanischen Wurzeln
Manche Menschen geben sehr viel auf, um sich den Traum zu verwirklichen, Tierarzt zu werden. So auch Dr. Hamed Coulibaly, der vor vielen Jahren seine Familie und Heimat in Afrika verlassen hat, um in Deutschland Tiermedizin zu studieren. Inzwischen ist er praktischer Tierarzt und besitzt seit Mitte 2013 eine eigene Praxis für Rinder und Neu- & Altweltkameliden in Bad Tölz, Oberbayern. Über seine Erfahrungen als Ausländer während Studium und Berufsleben haben wir in einem Interview mit ihm gesprochen.
1. Herr Coulibaly, Sie haben 1998 Ihr Heimatland „Elfenbeinküste“ verlassen und sind nach Deutschland gekommen, um hier Tiermedizin zu studieren. Warum haben Sie sich für Deutschland entschieden und wo haben Sie deutsch gelernt?
Herr Coulibaly: Ich bin nach Deutschland gekommen mit dem Ziel, hier Tiermedizin zu studieren. Ich hatte bereits in meinem Heimatland drei Jahre lang ein Grundstudium absolviert, Tiermedizin wird dort jedoch nicht als Studienfach angeboten. Dies ist nur an einer privaten Universität in Senegal möglich. Für Deutschland habe ich mich entschieden, da bereits mein Bruder hier gelebt hat. Ich habe für einige Monate Deutsch an einer Sprachschule gelernt und musste einen Sprachtest bestehen, um an einer deutschen Universität aufgenommen werden zu können.
2. War es schwer, in Deutschland einen Studienplatz zu bekommen? Was haben Sie gemacht, bis Sie einen Studienplatz bekommen haben?
Herr Coulibaly: Nein, es war überhaupt nicht schwer, einen Studienplatz zu bekommen. Dies lag daran, dass eine bestimmte Anzahl an Studienplätzen für ausländische Studenten reserviert werden. Diese werden nicht über die Zentralstelle vergeben, sondern ich musste mich direkt an den Universitäten bewerben. Da nur wenige Ausländer nach Deutschland kommen, um hier Tiermedizin zu studieren, habe ich schnell einen Platz bekommen. Um mein Deutsch zu verbessern, habe ich ein Semester Chemie studiert, bis das Veterinärstudium begonnen hat.
3. Sie haben von 1999 bis 2005 Tiermedizin an der LMU München studiert. Haben Sie von Seiten der Kommilitonen oder Professoren jemals ausländerfeindliche Äußerungen gehört bzw. haben Sie es als Nachteil empfunden, ein ausländischer Student zu sein?
Herr Coulibaly: Nein, während meiner gesamten Studienzeit habe ich keine negativen Erfahrungen aufgrund meiner Nationalität oder Hautfarbe gemacht. Ausländerfeindliches Verhalten ist mir nur im privaten Bereich begegnet.
4. Oder hat es unter Umständen während des Studiums Vorteile gegeben, dass Sie sich durch Ihre Andersartigkeit von den anderen hervorgehoben haben?
Herr Coulibaly: Es war durchaus der Fall, dass die Professoren mich kannten und meist sehr beeindruckt davon waren, dass ich so gut deutsch spreche und dass ich nach Deutschland gekommen bin, um hier Tiermedizin zu studieren. Diese Unterstützung und Anerkennung hat mir bei meinem Studium sehr geholfen.
5. Sie haben 2005 ihr Studium erfolreich abgeschlossen, im Anschluss promoviert und Anfang 2008 als Assistenztierarzt in einer Gemischt- und einer reinen Rinderrpraxen zu arbeiten. Aus welchem Grund haben Sie sich entschieden, sich auf die Rinderpraxis zu spezialiseren?
Herr Coulibaly: Dies geht zurück in meine Kindheit. Ich bin mit Tieren groß geworden und mein Vater hat im Ruhestand eine Landwirtschaft mit Rindern betrieben. Ich war immer sehr interessiert an seiner Arbeit und wollte von klein auf als Tierarzt mit Rindern arbeiten und meinem Vater im Betrieb helfen. Dabei hat mich immer der medizinische Anteil besonders gereizt.
6. Hatten Sie bei Vorstellungsgesprächen das Gefühl, durch Ihre ursprüngliche Nationalität oder Hautfarbe benachteiligt zu sein?
Herr Coulibaly: Nein, ich hatte keine Nachteile und wurde gleich bei meiner ersten Bewerbung eingestellt. Meine Arbeitgeber hatten auch keine Bedenken, dass die Landwirte negativ auf mich reagieren könnten.
7. Sie haben sich im Juni 2013 selbständig gemacht und eine Rinderpraxis in Bad Tölz, Bayern übernommen. Wie haben die Landwirte anfangs darauf reagiert, dass Sie ein Schwarzer sind? Haben Sie jemals negative Äußerungen gehört?
Herr Coulibaly: Negative Äußerungen habe ich nicht gehört, aber die Landwirte/Kunden waren anfangs durchaus etwas misstrauisch. Dies haben sie mir jedoch erst später in Gesprächen erzählt. Wenn sie gehört haben, dass ich gut Deutsch kann, waren sie stets positiv überrascht und konnten ihr Misstrauen ablegen.
8. Hatten bzw. haben Sie vor, in Ihr Heimatland zurückzukehren?
Herr Coulibaly: Ja, ich hatte eigentlich nicht geplant, hier in Deutschland zu bleiben, sondern wollte nach meinem Studium zurückkehren und meiner Familie helfen. Nun bin ich beruflich und privat an Deutschland gebunden, aber ich habe durchaus vor, im Ruhestand – zuminest für einen Teil des Jahres – an die Elfenbeinküste zurückzukehren, um Menschen in meiner Heimat zu helfen und den Landwirten mein Wissen zu vermitteln.
9. Würden Sie den gleichen Weg noch einmal wählen, wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten?
Herr Coulibaly: Ja, auf alle Fälle!
Wir danken Herrn Coulibaly ganz herzlich für das Interview!
Das Interview wurde von Frau Tonia Olson geführt.
Über die Autorin:
Tonia Olson hat 2005 ihr Veterinärmedizin-Studium in München abgeschlossen. Bei ihrem anschließenden mehrjährigen Aufenthalt in Skandinavien war sie u.a. in einer städtischen Gemischtpraxis tätig. Nach der Elternzeit arbeitet sie nun in einer Kleintierpraxis in der Nähe von München. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder, eine Katze und einen Hund.