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Praxismanagement #1 – Arbeitszeiterfassung

Praxismanagement #1 – Arbeitszeiterfassung

Erschienen in der Tierärztlichen Umschau (TU) 1-2/2019

Es war der 21. April als Arbeiter durch Melbourne zogen. Auf dem Weg zum Parlament gesellten sich weitere Unterstützer hinzu. Ihre Forderung war der „Achtstunden-Arbeitstag“ basierend auf dem Slogan des britischen Sozialisten Robert Owen:

„Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen, acht Stunden für Erholung und Freizeit.“ – Dies war im Jahr 1856…

Work-Life-Balance. Ein „neumodisches Konzept”? – Bei Weitem nicht. Bereits während der Industrialisierung, als das Handwerk durch monotone Fließbandarbeit bei unregelmäßigen Arbeitszeiten abgelöst wurde, kamen die ersten Gedanken zur „gesunden Arbeit“ auf. Die gesetzlich festgelegte Einführung des „Achtstunden Arbeitstages“ erfolgte in Deutschland im Jahr 1918: Für mehr Freizeit und weniger Arbeit – bei einem Kampf, der mehr als ein halbes Jahrhundert angedauert hatte.

Über die Jahre scheint diese Errungenschaft in den Köpfen vieler Menschen wieder „verloren“ gegangen zu sein. Doch der Achtstundentag gerät wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dies ist aktuell vor allem den verstärkten Kontrollen der Gewerbeaufsichtsämter geschuldet, welche die Veterinärmedizin und deren Arbeitsbedingungen genauer unter die Lupe nehmen und dabei hohe Strafen für die Nichteinhaltung der gesetzlichen Regelungen verhängen.

Ein guter Zeitpunkt, sich mit modernen Arbeitszeiterfassungssystemen zu beschäftigen, auch wenn sich die Begeisterung dafür bei dem einen oder anderen Arbeitgeber in Grenzen hält.

Die Einhaltung von Arbeits- und Ruhezeiten sollte aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von teils empfindlichen Strafen betrachtet werden, sondern eher als Mittel zur Schaffung und Erhaltung eines gesunden Betriebsklimas und einer angenehmen Arbeitsatmosphäre. Denn wer möchte nicht langfristig motivierte Arbeitnehmer beschäftigen, die „frisch im Kopf“ sind und denen keine Fehler unterlaufen?

Die Gesundheit ist das höchste Gut

Arbeit kann sehr viel Spaß machen. Und das sollte sie auch. Dennoch gibt es immer wieder Momente, in welchen man sich Erholungspausen gönnen sollte und auch gönnen muss.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass Stress und zu viel Arbeit krank machen. Dies zeigt sich in diversen Studien (z.B. in der von Massagio aus dem Jahr 2016). Es entstehen mehr Fehltage pro Jahr, eine höhere Krankheitsquote bis zum Komplettausfall der Arbeitnehmer. Dazu gesellen sich chronische Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen. Auch die Arbeitsleistung nimmt merklich ab, die Fehlerquote hingegen nimmt zu.

Hinzu kommt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Wenn z.B. ein übermüdeter Tierarzt nach einem Dienst, der die zulässige Höchstarbeitszeit überschreitet, einen Verkehrsunfall verursacht und dabei schwer verletzt wird, können Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen auf den Arbeitgeber zukommen.

Die Gesundheit aller Mitarbeiter sollte somit tatsächlich das höchste Gut sein. Aus moralischer, betriebswirtschaftlicher und auch rechtlicher Sicht.

Arbeitszeiterfassung – Ein Muss?

Das Arbeitszeitgesetz (kurz: ArbZG), welches 1994 erlassen wurde, dient als bundesweit einheitliche Richtlinie zum Schutz des Arbeitnehmers. Hierin finden sich auch Vorschriften zur Dokumentation von Arbeitszeiten. Dazu heißt es im §16 „Aushang und Arbeitszeitnachweise“:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des §3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß §7 Abs. 7 eingewilligt haben. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Wenn somit die zulässige Höchstarbeitszeit von 8 Stunden pro Werktag überschritten werden kann (z.B. durch entsprechende Öffnungszeiten der Praxis oder Klinik, Notfälle etc.), ist eine Arbeitszeiterfassung Pflicht. Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen. Dem Arbeitgeber können Verstöße gegen das Arbeitszeit- und das Mindestlohngesetz zur Last gelegt werden. – Warum Mindestlohngesetz? Wer für ein festes Gehalt zu viel arbeitet reduziert seinen Stundenlohn – bis zur Unterschreitung des Mindestlohnes von aktuell 9,19€ (Stand Januar 2019).

Ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen

Das ArbZG schreibt im §3 eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (maximal 8 Stunden an 6 Werktagen) vor. Mehrarbeit von bis zu 2 Stunden pro Tag ist möglich, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten bzw. innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag nicht überschritten wird. Das bedeutet, in 24 Wochen sind maximal 1.152 Stunden Arbeit zulässig.

Nach §10 des Arbeitszeitgesetzes ist die Arbeit an Sonn- und Feiertagen zulässig, wenn innerhalb der folgenden 2 Wochen ein Ersatzruhetag gewährt wird und mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben (§11).
Weiterhin muss die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause berücksichtigt werden: Mindestens 11 Stunden ununterbrochene Pause müssen zwischen zwei Diensten liegen.

Um allen Anforderungen des Arbeitszeitgesetzes gerecht zu werden, müssen Arbeitgeber den Überblick über die Arbeitszeit all ihrer Arbeitnehmer behalten. Dafür ist eine möglichst genaue Zeiterfassung unabdingbar.

(Hinweis der Autorin: Am 14.5.2019 hat der europäische Gerichtshof entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, Arbeitszeiten von Beschäftigten systematisch zu erfassen. Weitere Infos HIER)

Pausen sind ebenfalls Pflicht

Pausen sind eine wichtige Quelle um neue Kraft zu tanken. Leider sind fehlenden Pausenzeiten typisch für den tierärztlichen Beruf. Sinnvoll ist das Aussetzen einer Pause allerdings nicht, denn sie fördert Leistungsfähigkeit und Konzentration. Ein weiterer Pluspunkt: Kollegen, die erholt aus einer Pause zurückkehren, arbeiten effizienter und holen dabei meist die genommene Pause wieder auf. Wichtig hierbei ist, Pausen korrekt zu nehmen. Ein Mittagessen im Trubel der Praxis oder mit einer Fachzeitschrift, um noch fix einen aktuellen Fall zu bearbeiten, ist keine Pause! Ihr Körper muss etwas Gegenteiliges vom normalen Arbeitsalltag tun. – Aber dies ist Thema eines weiteren Artikels.

Um Arbeitsbelastungen auszugleichen müssen also Pausen eingeplant werden. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben und je nach Arbeitszeit genau festgelegt. Bei mehr als sechs Stunden gelten 30 Minuten Pause, bei mehr als Neun Stunden 45 Minuten. Arbeitsunterbrechungen unter 15 Minuten gelten nicht als Pause. – Und auch wenn manche Arbeitnehmer es bevorzugen: Eine nicht genommene Pause zugunsten eines früheren Feierabends gilt nicht!

Möglichkeiten der Zeiterfassung

Die grundsätzliche Notwendigkeit einer Zeiterfassung ist somit hinreichend geklärt. Die Art und Weise der Zeiterfassung jedoch schreibt der Gesetzesgeber nicht vor. Dem Arbeitgeber steht es also frei, ob er sich für eine manuelle oder digitale Zeiterfassung entscheidet.

Ein per Hand geführter Stundenzettel oder eine Excel-Liste werden den gesetzlichen Vorgaben gerecht. Jedoch sind die manuellen Methoden der Zeiterfassung eher Praxen mit einem kleinen Mitarbeiterstamm zu empfehlen, denn sie sind in der Auswertung zeitaufwendig und können sehr fehlerbehaftet sein. Überträge oder Abrechnungen müssen in der Regel händisch vorgenommen werden; kleinere Unregelmäßigkeiten wie Fehlzeiten, Unpünktlichkeit oder Überstunden werden nicht immer korrekt dokumentiert.

Dem gegenüber ist die digitale Zeiterfassung minutengenau und erscheint damit als die fairste Lösung.

Für Praxen ohne Fahrbetrieb ist ein Zeitterminal (zum Beispiel ein Tablet) in der Praxis gut geeignet. Dort stempeln sich alle Mitarbeiter bei Arbeitsbeginn ein und bei Arbeitsende aus. Innerhalb der Arbeitszeit können auch Pausen eingetragen oder als Pausenregel im Vornherein festgelegt werden.

Für Fahrpraxen oder bei Rufbereitschaft eignet sich die digitale Zeiterfassung über das Smartphone. Mit Hilfe einer App können die Mitarbeiter sich ortsunabhängig ein- und ausstempeln. Es gibt Systeme, die zusätzlich auch den Standort bei Arbeitsbeginn und -ende erfassen. Hierfür bedarf es allerdings der Zustimmung der jeweiligen Mitarbeiter.

Übersichtlichkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Sowohl für Arbeitgeber als auch Mitarbeiter ist die Methode der digitalen Zeiterfassung sehr übersichtlich. Der digitale Stundenzettel kann jederzeit abgerufen werden.

Missbrauch muss bei den modernen Systemen zur digitalen Zeiterfassung nicht gefürchtet werden. Verschiedene Möglichkeiten stellen sicher, dass Mitarbeiter sich nur persönlich ein- und ausstempeln können.

Durch eine moderne Zeiterfassung wird man somit nicht nur den gesetzlichen Vorgaben gerecht, sondern schafft mit Transparenz, Planbarkeit und Sicherheit in der Abrechnung der Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters ein gesundes Betriebsklima. Die Zeitersparnis durch die Nutzung eines solchen Systems bei Dokumentation und Abrechnungen lässt sich dann sicher sinnvoll nutzen.

Natürlich sollte jede Praxis oder Klinik möglichst im Team entscheiden, welche Formen der Zeiterfassung interessant und ohne größeren Aufwand umsetzbar sind. Sind alle Mitarbeiter von vornherein „im Boot“, kann man auch davon ausgehen, dass die Einführung einer modernen Zeiterfassung akzeptiert und dauerhaft erfolgreich umgesetzt wird.

(Hinweis der Autorin: VetStage bietet Ihnen mit der VetStage-Personalverwaltungs-Software eine cloudbasierte moderne Lösung zur Arbeitszeiterfassung, Diensplanerstellung und Abwesenheitsplanung an – 30 Tage kostenfrei zum Test. Interesse? Dann klicken Sie HIER!)

Literatur:

Dr. Lisa Leiner

Frau Dr. Lisa Leiner ist promovierte Tierärztin, Diplom Biologin mit dem Schwerpunkt Verhaltensphysiologie und Psychologie, Autorin, Referentin und Coach.
Bis 2019 lag ihr Hauptaugenmerk als Gründerin und Geschäftsführerin von VetStage in der Personalberatung und -akquise im Namen von Kollegen und Kolleginnen.
Zwischen 2019 und 2023 verstärkte sie das Team um Tierarzt Plus Partner im Bereich HR. Hier war sie nicht nur für die Akquise von Tierärztinnen, Tierärzten und TFA verantwortlich, sondern auch für den Aufbau verschiedener Projekte (Berufseinsteigerprogramm, Praktikantenprogramm und andere). Seit 2024 ist Dr. Leiner als selbstständige Beraterin und Trainerin in den Bereichen Personal, Kommunikation und Resilienz tätig.

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