Tiermedizin: Das stressigste Studium in Deutschland – Teil 2
Teil 2: Wie Stress reduziert und bewältigt werden kann
Über die Hälfte der angehenden Tierärzt*innen fühlt sich heutzutage im Studium gestresst. Über ein Drittel der Tiermedizin-Studierenden sehen durch die Stressbelastung ihre Gesundheit gefährdet. Mittlerweile gibt es viele Studien, die belegen, dass Stress ein reales Problem in der Tiermedizin ist – wie bereits in Teil 1 zum Thema „Stress im Tiermedizinstudium“ zu lesen war. Doch was kann nun unternommen werden, um diesem Problem zu begegnen?
Ergebnisse von Stressstudien nutzen und umsetzen
Mittlerweile bieten zahlreiche Stressstudien einen Überblick über die Stressoren und Folgeerkrankungen, die durch Stress ausgelöst werden. Die Ergebnisse müssen nun im nächsten Schritt genutzt werden, um eine Verbesserung der Situation zu realisieren. Die USA gehen mit gutem Beispiel voran: Jährlich findet der „Veterinary health and wellness summit“ statt, organisiert von der Colorado State University und der Association of American Veterinary Medical Colleges. Hier kommen Studierende, Praktizierende, Berater*innen und Industriepartner*innen zusammen, um über Stress und die Folgen für die Gesundheit der Veterinäre zu sprechen. Ziel des Kongresses ist es, auf die Probleme aufmerksam zu machen und Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln. Auch in England hat sich eine Initiative mit ähnlichen Zielen gegründet: „Mind matters“ versucht, durch die Entwicklung oder Unterstützung von Kursen und Trainingsprogrammen, die psychische Gesundheit von Veterinären zu verbessern. Außerdem wollen sie mit Vorurteilen gegenüber geistigen Erkrankungen wie Depressionen brechen.[2] Deutschland lässt ähnliche Initiativen oder Kongresse leider bisher vermissen.
Sorgen und Ängste im Mentorenprogramm besprechen
Mentorenprogramme sind eine tolle Möglichkeit für Studierende, sich mit ihren Fragen, Sorgen und Ängsten an jemanden mit mehr Lebens- und Berufserfahrung zu wenden, der ähnliche Schwierigkeiten erlebt und gemeistert hat. Für angehende Tiermediziner*innen ergibt sich außerdem die Möglichkeit, schon einige Einblicke in die Praxis zu erhalten und Kontakte aufzubauen. Auch für Mentor*innen bietet ein solches Programm Vorteile: Der Kontakt zur „nächsten“ Generation – also potentiellen Kolleg*innen oder Nachfolger*innen – bleibt erhalten. Mithilfe des Mentorenprogramms von VetStage können sich Mentor*innen und Mentee über ein Kontaktformular oder die entsprechende Facebookgruppe zusammenfinden.
Der Wunsch der Studierenden: Mehr Praxiserfahrung
Der Wunsch nach mehr Praxiserfahrung im Studium ist klar und deutlich: 36,4% der Studierenden sind der Meinung, der Studienstress könne so reduziert werden [1] . Schließlich steigert diese die Motivation und wirkt Frustration entgegen. Hier ist ein Umdenken in der Lehre nötig. Um die Forderung nach der Schulung der klinisch-praktischen Fertigkeiten umzusetzen, können beispielsweise spezielle Lehr- und Trainingszentren eingerichtet werden, wie schon an der Tierärztlichen Hochschule Hannover mit dem „Clinical Skills Lab“. Hier können umfangreiche praktische Fertigkeiten wie zum Beispiel intravenöse Injektionen, Blutprobenentnahme, Nahttechniken, chirurgische Tätigkeiten oder rektale Untersuchungen erworben und geübt werden. Ein solches Training erleichtert den Einstieg in die „echte Praxis“, denn dort warten neue Stressoren auf angehende Veterinäre: Kniffelige Diagnosen, widerspenstige Patienten, unleidliche Patientenbesitzer*innen, schwere Schicksale und das alt-bekannte Problem: Die Kluft zwischen Theorie und Praxis. Durch eine entsprechende Vorbereitung auf diese Schwierigkeiten kann der Stress zumindest etwas reduziert werden.
Und wenn es soweit ist, hilft VetStage euch gern bei einem angenehmen Start ins Berufsleben: Mit einem anonymen Profil im VetStage Karriereplaner findest du im Handumdrehen deine Stelle. Du teilst uns deine Interessen mit und wir schlagen dir passende Angebote vor. Hier kannst du dein kostenfreies Profil anlegen. 🙂
Meditation zur Stressreduktion
Eine australische Studie zum Thema Stressresilienz [2]. besinnt sich auf buddhistische Philosophien: Das Konzept von „mindfulness“ und „self-compassion“ soll helfen, Stress zu verarbeiten und zu lösen. Der Ansatzpunkt ist, seine Gefühle und Gedanken wahrzunehmen, ohne jedoch auf sie zu reagieren oder sie als gut oder schlecht zu bewerten und zu nah an sich heranzulassen – sprich, die Situation einfach akzeptieren. Diese Art von Unvoreingenommenheit und Nüchternheit kann zum Beispiel durch Meditation erreicht werden. Die Studie hat ergeben, dass Studierende, die mithilfe dieser Qualitäten mehr Distanz zu ihren Problemen wahren, mit Stress deutlich besser umgehen können.
Aktiv Maßnahmen zur Stressbewältigung ergreifen
Stress und seine gesundheitlichen Folgeschäden, von Schlafstörungen über Lustlosigkeit bis hin zu Depressionen dürfen nicht als Lappalie abgetan werden. Wer als Student seine Gesundheit gefährdet sieht, sollte sich Hilfe suchen und sich nicht davor fürchten, als „schwach“ da zu stehen. Viel eher ist doch das Eingestehen von Problemen und das Suchen nach Lösungen ein mutiger Schritt. Jeder reagiert anders auf Stress und kann verschieden gut damit umgehen. Gemeinsam mit Beratern der Universität oder Mentoren können Strategien und Lösungen erarbeitet werden, um die persönliche Situation zu verbessern.
Doch auch die Universitäten sind am Zug. Kurs- und Trainingsangebote zur Stressbewältigung oder Meditation könnten für Studierende „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein. Auch dem Wunsch nach Praxiserfahrung könnte nachgekommen werden, wie das Beispiel Hannover zeigt. Vielleicht bedarf es hier auch einer studentischen Initiative, die eine positive Entwicklung ins Rollen bringt.
[1] „Untersuchungen zu Beschwerden, Belastungen und Ressourcen im Studium der Tiermedizin – eine Querschnittsstudie“
Marc Dilly, Johanna Hilke, Felix Ehrich, Katja Geuenich; Tierärztl. Umschau 69, 433-444 (2014) [2] “Resilience in Veterinary Students and the Predictive Role of Mindfulness and Self-Compassion”
Michelle McArthur, Caroline Mansfield, Susan Matthew, Sanaa Zaki, Conor Brand, Jena Andrews, Susan Hazel